Australien – das Land „down under“, auf der anderen Seite der Welt, so weit von Europa entfernt wie kaum ein anderes. Seit zwei Wochen halte ich mich in diesem Flecken Erde auf, der größten Insel der Welt, die gleichzeitig nach der Antarktis auch ihr trockenster Kontinent ist. Der Kalender weist hier zwar erst Frühling aus, doch herrscht bereits mehr Sommer, als ihn Deutschland dieses Jahr jemals gesehen hat.
Fantastisch! denkt der eine. Ein Drama! der andere. Denn die hohen Temperaturen im Frühling und der Mangel des kühlen Nasses von oben sind durchaus zweischneidig. So ist auch in Australien Regen ein wichtiges Thema: doch wird er hier geliebt und begrüßt. Schwer vorstellbar, wenn man aus dem wasserdurchtränkten Mitteleuropa kommt und wo jeder Tag mit Sonne und ohne Regen innerlich gefeiert wird – zumindest wenn man zu jener Art von Stadtkindern gehört, die ihre Freizeit lieber an der freien Luft verbringen, als in stickigen Räumen.
Doch auf dieser Seite der Welt herrscht seit einigen Jahren Dürre. Bauern müssen ihre Farmen aufgeben, weil für Vieh oder Pflanzen kein Wasser mehr da ist. Flüsse trocken aus. Das ist die Kehrseite der Medaille des stereotypen und ewig sonnengeküssten Australien. Die Temperaturen steigen von Jahr zu Jahr und „water smart behaviour“, also Verhaltensweisen, mit denen man so wenig Trink-/Süß-Wasser wie möglich verwendet, beschäftigen Wochenend-Kolumnen in der Zeitung und Broschüren für Gemeinde-Kurse. …eine Frau, die lediglich paarundzwanzig Liter Wasser pro Tag verwendet wurde ausgezeichnet als Vorbild für den Rest der Nation. Und der Wetterfrosch lächelt, wenn er in seiner Vorhersage das Zeichen für Regen ankündigen darf. Noch dazu für einen großen Teil von New South Wales und alle anderen Hauptstädte der Bundesstaaten dazu…
Die Idee, dass ein von Wasser umgebenes Land an Wassermangel leidet, klingt zunächst ein wenig Paradox. Doch das Salzwasser der Ozeane gehört nun einmal nicht auf den täglichen Speiseplan der Menschen, abgesehen vielleicht von ein paar Surfern und Tauchern… Und die Versalzung der Erde wäre an dem im Vergleich mit der Landmasse geringen Anteil landwirtschaftlich nutzbaren Landes geradezu verhängnisvoll. Neben der breitflächigen Aufklärung zum Thema, ist der Bau einer Entsalzungsanlage an der Küste von New South Wales daher ein weiterer Schritt, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Noch dazu soll die Anlage komplett mit grüner Energie betrieben werden – vier Windparks wurden vergangene Woche in der Zeitung erwähnt. Der rote Kontinent wird noch grün…
Vor kurzem bat ich einen Freund, mir doch seine Vorstellung von Australien zusammenzufassen. Er war noch nie hier – hat den groben Nagel aber doch ziemlich gut auf den Kopf getroffen:
– Sehr relaxte, hilfsbereite Leute: Ja! Bisher durchweg und ohne Einschränkungen.
– Das (noch) angenehme Klima – denn mit der Jahreswende herrschen regelmäßig Temperaturen um die 40°C – so die Vorhersage der Einheimische: Eindeutig! Die Temperaturen pendeln in etwa zwischen 20 und 30 Grad. Mal mit ein bisschen mehr Brise, mal mit etwas weniger.
– Surfer-Dudes ziehen nach der Arbeit so schnell wie möglich Richtung Strand (wenn sie nicht den ganzen Tag dort verbringen): Keine Frage – absolut korrekt!!! Das schönste Bild dazu: am Nachmittag läuft ein in Anzug gewandeter Bürohengst mit Surfbrett unterm Arm zur nächsten S-Bahn Richtung Strand. Und das mitten im CBD Sydneys, dem so genannten Central Business District. Dort wo sich die Hochhäuser der Skyline tummeln.
– Jeder hat einen BBQ: Oh ja. Das ist nur zu wahr. Während meiner aktuellen Zimmersuche in Sydney – und ich habe mir bereits einige Zimmer angeschaut – gab es nur eine einzige Wohnung, in dem nicht ein Grill von mindestens einem Meter Breite zu finden war. Die unglaublich fantasiereichen Namen der Geräte lauten zum Beispiel: „Grillmaster“ oder „Partymaster“… Angeschlossen sind sie meist an eine Gasflasche – die CO²-Ausstöße aufgrund von Grill-Kohle, wie sie sich auf deutschen Terrassen gerne mal finden, halten sich also durchaus in Grenzen. Eingesetzt werden die „Barbys“ in manchen Häusern so gut wie jeden Tag, als eine Art Pfannenersatz.
– Dazu gibt es noch zwei weitere essenzielle Haushaltszutaten, die jeder jederzeit bei sich tragen sollte: Sonnencreme 30+ und einen Hut. „Slap on (sunscreen) & slip on (a hat), wie’s so schön heißt. Das sind zwei der wichtigsten Regeln in diesem Land mit der höchsten Hautkrebsrate der Welt.
Sydney ist insgesamt eine unglaublich saubere Stadt. Sehr grün, selbst in der hochhausbestimmten Innenstadt, und sehr blau – aber nicht aufgrund der Auswirkungen extremen Alkoholgenusses (wobei der Aussie an sich einem kühlen Blonden nur selten abgeneigt ist)… Die Stadt ist vielmehr rund um einen fantastischen Hafen mit unzähligen Buchten und Armen gebaut und wird dazu im Osten vom Pazifik gestoppt.
Ob man nördlich oder südlich des Hafens lebt ist Überzeugungssache. Ein wenig wie in Hamburg die Frage, ob man sich westlich oder östlich der Binnenalster niederlässt… Oder in Rhein-Main in Mainz oder Wiesbaden, in Köln oder Deutz, oder in Berlin am Prenzlauer Berg oder in Charlottenburg.
Im Süden befinden sich das Zentrum der Stadt, die Oper, mehrere Universitäten, die Ausgehviertel Surry Hills/Oxford Street/Newtown/Kings Cross, der Darling Harbour, der Botanische Garten, ein Großteil der Museen und Theater und der berühmte Bondi Beach.
Die Nordseite hat dafür den Blick auf die Oper, wenigere Hochhäuser, den Luna Park, großzügigere Häuser (soweit ich das bisher sagen kann), die Northern Beaches und Manly – den direkten Konkurrenten von Bondi in Sachen Surf- und Strandkultur… Und im Gegensatz zu Bondi keine Bucht, sondern einen Strand, der sich kilometerlang die Küste Richtung Norden zieht, Strandort nach Strandort.
Die Namensgebung in Australien ist eine herrliche Mischung aus kopiertem England und dem Versuch, die Worte der Aboriginals ins Englische zu übertragen. Ein Stadtteil Sydneys ist zum Beispiel der wahrscheinlich einzige Ort, in dessen Namen acht „o“s vorkommen: Woolloomoolloo… Und Woolloomoolloo liegt ganz in der Nähe von Elizabeth Bay, Kings Cross oder Paddington.
Was die Architektur der Stadt angeht, gibt es verschiedene Kategorien. Die bereits erwähnten Hochhäuser im Central Business District; die Überreste viktorianischer Gebäude, die sich zwischen dem Glas und Beton des CBD zu behaupten versuchen; die weltweit austauschbaren Apartment-Blöcke an den Buchten und ihre Kollegen in den Badeorten am Meer.
Aber dann wären da ebenfalls noch die unzähligen Terraced Houses, die sich an die Hügel der Stadt schmiegen. Kleine, schmale Häuschen, die innen manchmal erstaunlich weitläufig wirken und die alle so gleich – und doch so unterschiedlich sind: In der Farbe oder den schmiedeeiserne Verziehungen; manche sind aus Holz, andere aus Stein; die einen haben auf den fünf Quadratmetern vor ihrer Haustür einen tropischen Garten angelegt, bei den nächsten herrscht eine reine Betonwüste; manche haben drei Stockwerke, andere nur eins. Und so weiter. Es ist ein Vergnügen, durch die verschiedenen Stadtviertel zu streifen, und zu versuchen, sie über ihre Häuser kennenzulernen…
Und auf welche anderen Arten dieses Land und ihre Regionen und Städte kennengelernt werden können, wird hier peu à peu zu lesen sein…
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