Schöne moderne, mobile Welt! Gestern hatte ich ein Vorstellungsgespräch für einen sehr interessanten Job. Die Atmosphäre war entspannt, meine möglichen Chefinnen äußerst sympathisch, das Gehalt würde stimmen und München ist sicherlich auch eine Stadt, in der es sich leben ließe. Dennoch frage ich mich seit ziemlich genau 24 Stunden – also seit dem Moment, in dem ich das Redaktionsgebäude verlassen habe –, wie ich im Falle einer Zusage reagieren würde. Warum entscheiden wir uns für einen Job, zögern bei einem gleichwertigen anderen aber zehnmal so lange, ehe wir zu einer positiven – oder negativen – Entscheidung kommen? Hier ein Argumentations-Brainstorm…
Meine erste Reaktion, nachdem der Adrenalinspiegel wieder etwas gesunken war: Ich kann das nicht machen! Die Eltern werden sich an den Kopf fassen und mich für verrückt erklären – aber ich kann’s nicht. Es gibt zu viele Dinge, die ich hier noch nicht abgeschlossen habe. Zu viele Dinge, die ich nicht mehr machen kann, sobald ich einen Vollzeit-Vertrag unterschreibe. Da ist die Stadt, die ich eigentlich noch nicht wieder verlassen möchte, zumindest nicht unbegrenzt. Und was ist mit dem Visum für Australien, das in meinem Pass klebt und wohin ich im September für ein paar Monate aufbrechen wollte, was mit der Antarktis-Expedition oder der Doku-Soap, an deren Konzeption ich gerade sitze? Was mit meinem neuen Freundeskreis, den ich in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut habe, und nicht gleich wieder verlassen möchte – zumindest nicht „für immer“ – Billigflieger und Surf&Rail hin oder her. Es gibt Projekte, die umgesetzt werden wollen oder den Anspruch, es als Freie „zu schaffen“ – auch wenn die Anfangsphase zäh ist. Die angenehme nordische Kühle und Weite, die den Kopf frei macht, würde ich schrecklich vermissen – sowie den Blick auf den Hamburger Hafen, der in kniffeligen Situationen immer beruhigt und bestärkt: es geht weiter, irgendwie geht es weiter, eine Lösung wird sich finden. Andere Bewerbungen stehen noch aus und deren Ausgang dürfte mich dann nicht einmal mehr wirklich interessieren – ich hätte ja schon einen Vertrag geschlossen.
Würde es sich nur um eine Projektarbeit handeln, auf drei, sechs oder zwölf Monate begrenzt – keine Frage: Ich würde bei einer Zusage sofort die Koffer packen und mich in den nächsten Flieger setzen. Aber eine Zusage für einen Vollzeitjob in einer anderen Stadt – Probezeit hin oder her – ist einfach etwas ganz, ganz fixes. Wie eine Beziehung, Kinder, der totale Ausstieg oder etwas Anderes derart schwerwiegendes, wäre es ein Einschnitt, der mein Leben komplett ändern würde. Und ich weiß nicht, ob ich das will! Ich kann es einfach nicht sagen.
Vielleicht bin ich auch schlichtweg feige. Habe Angst, meine Freiheit zu verlieren, wenn ich mich vertraglich binde (ich mag Verträge nämlich gar nicht! Sie sind so einschränkend und final…). Klar, bei einem Jobangebot hier in Hamburg würde ich vermutlich viel weniger überlegen, weil die ganzen persönlichen Aspekte nicht tangiert wären. Aber es handelt sich nun einmal eben um ein potentielles Angebot aus einer völlig anderen Ecke des Landes und nicht um eines hier.
Momentan bin ich in der „Vielleicht gibt es einen Kompromiss?“-Phase. Ich würde sehr gerne für die Redaktion arbeiten. Vielleicht frei? Mit guten Vorschlägen und Anregungen, die egal wo umgesetzt werden könnten? Oder als Pauschalistin mit 10 Tagen im Monat vor Ort? Oder an zwei Orten – ein bis zwei Wochen im Monat in München, den Rest hier oben? Viele „oder“s. Aber keine Antwort.
Egal wie der Ausgang der Entscheidung der Redaktion sein wird: Ich weiß, dass ich zuerst eine eigene treffen muss. Und zwar ehe ich die der anderen Seite kenne. Muss mir selbst im Klaren darüber sein, was ich will. Momentan bestünde die Antwort nämlich aus einem ganz großen und ganz klaren Jein. Ja, ich will für euch arbeiten – aber nein, nicht dort und vermutlich auch nicht so, wie ihr euch das vorstellt…