Oktober 1989: “… die Mauer wird fallen!” Das konnte nicht möglich sein. Schlicht – nicht möglich. Jemand musste sich jemand einen Scherz erlaubt haben. Sonst wäre die Nachricht doch nicht nur einmal kurz über den Newsticker gelaufen. So dachten meine Familie und ich, als wir im Oktober 1989 im Café Kranzler saßen und mein Bruder eben diese Meldung von der Info-Leinwand auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorlas.
Es waren Herbstferien und die PamAm hatte uns von Frankfurt nach Berlin geflogen. Wir Kinder schnupperten das erste Mal Großstadt-Luft. Und so wie das Schloss Charlottenburg, der Ku’Damm, das Käthe-Kollwitz-Museum und der Blick über die Mauer von den Aussichtsplattformen, stand auch ein Besuch im Osten auf dem Programm: eine geführte Bustour durch Ostberlin. Zwangsumtausch, Soldaten-Denkmal, Pergamon-Museum und Kaffeepause inklusive. Und eine unfassbare, graue Leere.
Wann immer unsere Eltern über die DDR erzählten – wir hatten dort Familie, das Thema Ost-West war entsprechend nicht fremd -, gehörte bei meiner Mutter dazu, wie gut ihr die Lichter, die Helligkeit, selbst die bunte Werbung taten, wenn sie in den Westen zurückkehrte. Sich über Licht zu freuen, was für ein Blödsinn, dachte ich. Doch als wir nach einer quälend langen Grenzkontrolle wieder in den West-Sektor zurückkehrten, ging es mir ebenso. Der Kontrast von dunkel und hell, von Leere und Lebendigkeit, ließen mich erst im Vergleich die Unfreiheit im Osten nicht nur theoretisch verstehen, sondern tatsächlich fühlen. Die Tage dieser Grenze waren zum Glück gezählt.
Sommer 1990, kurz vor der Währungsunion. Wieder besuchten wir mit der Familie die Spree-Metropole – und trafen diesmal die beste Kindheitsfreundin meiner Mutter aus der DDR. Während früher das Lindencorso im Osten der traditionelle Treffpunkt war, wurde er diesmal um einige hundert Meter zum Brandenburger Tor verlegt. Den Tränen nahe, gingen die Freundinnen gemeinsam durch das für Fußgänger geöffnete Brandenburger Tor. Zweimal. Weil es endlich möglich war!
Bei diesem Trip nach Berlin gehörten auch wir zu den Mauerspechten. Und noch immer habe ich ein Stück Berliner Mauer. Es ist für mich die ewige Erinnerung, wie zerstörerisch Mauern sein können: Mauern in Köpfen – und Mauern aus Steinen. Es ist die stete Lektion, wie wichtig Offenheit ist. Und die konstante Mahnung, niemals aufzuhören, daran zu arbeiten, Grenzen in Köpfen, Herzen und auf Landkarten zu beseitigen.
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