Hier ein kleiner, schon etwas älterer Text über Amsterdam, Teil des Städte-Alphabets, der es aus unerfindlichen Gründen bislang noch nicht auf diese Seite geschafft hat.
Amsterdam in zwei Tagen – zur Weihnachtszeit. Der erste Eindruck: Eine attraktive Stadt, die sich fein rausgeputzt hat und fast ein wenig zu niedlich aussieht, um Real zu wirken. Das Gefühl beim Laufen entlang der Grachten war eher das in einer Puppenstadt gelandet zu sein oder der Miniaturwelt von Märklin. Oder Liliput. Es war einfach alles klein und süß. Dieser Eindruck wurde natürlich durch die omnipräsente Weihnachtsbeleuchtung noch verstärkt: romantisch, verwunschen und in schlichtem Weiß gehalten.
Insbesondere im Dunkeln offenbart das Venedig des Nordens seine filmgerechte und fotogene Seite. All die Spiegelungen, die so wunderbar symbolisch interpretiert werden können. Das Wasser, das unter den Brücken hindurch zieht – Altes wegspült und Neues bringt. Oder die unzähligen Wohnungen, die in den Häusern an den Grachten liegen und hell erleuchtet in die Nacht herausstrahlen. Nur selten mit Gardinen vor den Fenstern, hat jede Wohnung förmlich darum gebuhlt, ihre Geschichte offenbaren zu dürfen. Wer wohl sind die Menschen, die in den Gebäuden und Räumen gerade ihren Beschäftigungen nachgehen? Was machen sie und was haben sie vor? Wovon träumen sie? Jede Wohnung, jede Geschichte ein Unikat.
Kulturell hat die Stadt bekanntermaßen viel zu bieten – und auch ein Wochenend-Trip reicht bei weitem nicht aus, alle Angebote wahrzunehmen. Eine kleine Auswahl lohnenswerter Museen umfasst zum Beispiel das
1. Van Gogh Museum – Heimatort der berühmten “Sonnenblumen”,
2. das Hanf & Marihuana Museum – in dem man viel Interessantes über die Wirkweise der “Gute-Laune-Droge” finden kann,
3. das New Metropolitan, auch Nemo genannt. Dahinter verbirgt sich ein sehr spannendes hands-on Museum für Wissenschaft und Psychologie. Ohne Probleme kann man dort Stunden verbringen, ohne dass Langeweile aufkommt.
4. das Anne Frank Haus oder das
5. Stedelijk Museum, das Kunst ab dem Impressionismus ausstellt.
Die Musikszene bedient ebenfalls jeden Geschmack. Abseits der großen Konzert-Arenen ist beispielsweise das “Bimhuis” nennenswert. Im Februar 2005 in sein neues Zuhause gezogen, ist es eine der Top-Adressen für Jazz und Improvisation. Wer es lieber klassisch mag, dem sei das Concertgebouw an Herz gelegt, in dem im 19-ten Jahrhundert schon Clara Schumann-Wieck gespielt haben soll.
Und dann ist da noch das Rotlichtviertel, über das es allerdings eigentlich gar nicht so viel zu erzählen gibt. Zumindest, wenn man nicht in philosophische Debatten über Prostitution, Frauen und deren freien Willen oder die Halbwelt des Sextourismus abgleiten will. Für Hardcore-Feministinnen muß allein seine Existenz zwar schon ein prinzipielles Gräuel sein. Für alle anderen ist es hier und da nur ein ästhetisches.
Diese Ecke der Stadt wirkt eher wie ein Eroto-Disneyland, als wie ein gelebtes Rotlichtviertel. Erstaunlich ist allerdings der Mut, die Courage oder auch Selbstverständlichkeit, mit der sich die Frauen in die Fenster stellen und präsentieren. Ob dick, dünn, hell, dunkel – da waren sie – in alles Formen, Größen und Farben. Als gäbe es nichts natürlicheres auf der Welt, als seinen doch eher freizügig bekleideten Körper auszustellen. Ob sie sich der Tatsache bewusst sein, dass sie bei ihrer Arbeit an die Freak- und Side-Shows der Zirkusse des 19-ten Jahrhunderts erinnern? Die “Bärtige Frau”, der “Kleinste Mann” oder die siamesischen Zwillinge lassen grüßen. Doch jeder, der Amsterdam heute besucht, muss sie gesehen haben, die Models in den Fenstern – sonst war er nicht in Amsterdam.
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