Nein, der Nabel der Welt ist hier wirklich nicht. Wahrscheinlich noch nicht einmal ein Knie oder Ellebogen? Aber für einen Wochenendtrip ist das im Schwarzwald gelegene Städtchen Baden-Baden durchaus geeignet. Über drei Tage hinausgehende Aufenthalte sollten jedoch – wenn irgendwie möglich – vermieden werden…
Baden-Baden – Perfekt in Stand gehaltene Altbauten, von denen manche vehement an den letzten Norditalien-Urlaub in Stresa am Lago Maggiore erinnern, lösen sich mit perfekt getrimmten Grünanlagen ab. In allen Blumenkübeln des Zentrums sind derzeit weiß-rosa-lila Blütenarrangements durchkomponiert und aufeinander abgestimmt. Ein Edel-Laden reiht sich an den nächsten, Shops mit Jugendmarken halten sich dezent im Hintergrund. Aber vielleicht am bezeichnendsten für den Ort überhaupt: Der (einzige) H&M ist angenehm weitläufig und leer und selbst seine Schnäppchen-Ständer sind so aufgeräumt, dass weder Bügel quer hängen noch Tops sich trauen, auch nur einen Träger halb herunter rutschen zu lassen.
Ein Bekannter beschrieb Baden-Baden vor kurzem so: “Das hier ist eine Stadt, deren Bewohner glauben, sie könnten sich vom Tod freikaufen.” Sollten die etwa 54 000 Baden-Badener früher oder später allerdings merken, dass das leider nicht möglich ist, wissen sie sich zumindest gut versorgt. Denn wenn man der Statistik glaubt, dann liegt die Ärztedichte hochgerechnet bei 239 Ärzten je 100 000 Einwohner – und damit weit über dem Bundesdurchschnitt von 157 Halbgöttern in Weiß.
Eine weitere Episode, die die Altersstruktur des Ortes gut widerspiegelt, hat sich im an einem sonnigen Sonntag im März 2004 ereignet. Über die Länge von mehr als einem Kilometer, zwischen Kasino und Festspielhaus, erstreckte sich eine nicht organisierte Prozession altersblonder Menschen. Aber weniger als an eine Volkswanderung oder den Tag der offenen Tür befreundeter Altersheime, erinnerte das Spektakel an die Rosenmontags-Umzüge zur Fastnachtszeit. Als müsse man das Kostüm eines Senioren tragen, um wirklich in diese Stadt zu passen.
Höhepunkt eines Kurzbesuchs im Schwarzwald sind für alle Wellness-Fans die Thermen. Während des entspannten Wochenendes ein paar Stunden in der Caracalla-Therme oder dem Friedrichsbad einzuschieben, das ist eigentlich Pflicht. Und entgegen möglicher Annahmen ist das Publikum hier sehr gemischt; alle Alterstufen und Nationalitäten scheinen sich in den Wasser- und Dampftempeln zu verabreden. Viele Franzosen kommen aus dem nahen Elsass und auch das in der Stadt fast omnipräsente Russisch ist zwischen Dampfbad und Saunalandschaft häufig zu hören.
Wichtig ist, Baden-Baden an warmen und sonnigen Tagen zu besuchen – denn dann verbreitet der Ort das leicht angestaubte, aber schöne Flair des 19ten Jahrhunderts, wenngleich ein wenig ans Heute angepasst. Die Innenstadt lädt zum (Window-)Shoppen ein, Straßenmusikanten suchen spendable Zuhörer und hervorragende Eisdielen versorgen Naschkatzen mit Proviant. Dazu mag ein Konzert im Kurpark zum Zwischenstopp einladen oder das Festspielhaus mit hochkarätiger Kultur locken. Zum Abschluss noch ein kleines Spiel im Kasino – so vergehen zwei-drei Tage im angenehmen Flug.
Doch das war es. Viel mehr bietet die Stadt nicht. Bald wiederholen sich die Thermenbesuche, die fünf Säle des einzigen Kinos der Stadt sind schnell durchgeschaut und auch das Sortiment in den Läden der Fußgängerzone wechselt nicht jeden Tag. Glücklich ist dann derjenige, der in sein Auto oder den nächsten Zug steigt und sich mit schönen Erinnerungen an ein paar nette Tage in reizvoller Landschaft in die nächste Stadt begibt.
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